„Was hast du denn zu Weihnachten bekommen?“ – „3 Tage Zeit und Ruhe, das habe ich mir gewünscht. Bekommen habe ich ein Schweigewochenende.“
Zuerst war ich sauer. Wollte ich doch einfach in Ruhe, ungestört, ohne Hektik meinen Schreibtisch aufräumen, die Steuererklärung machen, den liegengebliebenen Schreibkram erledigen, eben all das abarbeiten, was im normalen Routinebetrieb auf der Strecke bleibt. Und nun das: 3 Tage außer Haus, Schweigen. In einer Gruppe.
Na gut. Dann bleibt der Kram halt weiter liegen. Und ich darf verreisen. Ich begann, mich darauf zu freuen, aber skeptisch blieb ich immer noch.
Im Nachhinein muss ich sagen: eine gute Sache und genau im richtigen Moment.
Wie erging es mir nun mit 3 Tagen in der Stille?
Angekommen am Ort des Schweigens hatte ich mich jetzt wirklich darauf eingestellt, meine Ruhe zu haben, nicht reden zu müssen, mit mir allein zu sein. Der Einstieg in das stille Wochenende war aber eben gar nicht still, sondern noch recht kommunikativ. Von rheinischen Frohnaturen von links und rechts liebevoll ausgefragt zu werden, war nicht das, was ich gerade brauchen konnte. Meine Tischnachbarn mögen sich ein wenig über meine Zurückhaltung geärgert haben. Etwas stoffelig war ich ja schon, muss ich zugeben. Die Kommunikation mit mir war nicht sehr ergiebig. Dann gab es eine Vorstellungsrunde mit 30 Leuten, die eben gemeinsam Schweigen wollten. Und dann ging’s los. Kein Wort mehr!
Eingebettet in Tagzeitengebete einer Kommunität, gefüttert mit jeweils einem biblischen Impuls am Vormittag und Nachmittag hatte das Ganze eine wunderbare Struktur, die genügend Freiraum gab, sich mit eigenen Gedanken zu beschäftigen – und trotzdem ein Gerüst vermittelte, an dem man sich orientieren konnte. Allerdings musste ich mich damit erst zurechtfinden. Feste Gebetszeiten mit festem liturgischem Rahmen, dazu mir unbekannte Lieder, mehrstimmige Psalmengesänge. Ich war den ersten Tag nur damit beschäftigt, all die neuen Eindrücke des Hauses, des Geschehens und all des mir Unbekannten zu verarbeiten. Ich kam mir so fremd vor, ich fühlte mich nicht zugehörig. Das Einfinden kostete Zeit, die hatte ich ja. Mich mit den vorgeschlagenen Bibelstellen zu beschäftigen, war mir am ersten Tag gar nicht möglich. Wie wohltuend war es doch, die Mahlzeiten schweigend einzunehmen. Nicht reden zu müssen. Welche Freiheit, nicht alles kommentieren zu müssen und vor allem, nichts hören zu müssen. Gegen Abend fühlte ich mich dann heimisch. Einen ganzen Tagesablauf habe ich nun miterlebt- jetzt war Vertrautes wahrzunehmen.
Der zweite Tag verlief dann ganz anders. Ich konnte mich frei hineingeben in das, was mich umgab, mich mitnehmen lassen bei den Gesängen – die Sorge, meine Stimmlage zu finden und mitzukommen war verschwunden. Es ging – fast schon automatisch. Nicht mehr „Fremdkörper“ sondern eher „Schwamm“ war heute meine Rolle. Aufsaugen all dessen, was sich bot, Lieder, Gebete, Bibelverse, Anregungen. Alles war höchst spannend und aufregend. Und plötzlich so vielsagend. Ich bewegte Worte in mir. In meinem Kopf, in meinem Herzen. Es fügte und ordnete sich plötzlich einiges. Meine Gedanken wurden klarer.
Als ich Gefallen fand, war das Wochenende vorbei. Mir hätte ein weiterer Tag gutgetan. Ich bin nach Hause gefahren, ohne tolle Erlebnisse, ohne DIE Lösung in der Tasche zu haben, aber glücklich und erfüllt wie lange nicht mehr.
Im Alltag zuhause habe ich dann bemerkt, dass ich für verschiedene Dinge doch eine Lösung unterbewusst mitgebracht habe, dank meiner neu gewonnenen Gelassenheit, Aufmerksamkeit, Behutsamkeit.
Das Motto des Stillen Wochenendes war übrigens: Jesus tiefer kennenlernen. Und genau das ist geschehen.
(zuerst erschienen in Aufatmen 3/2009 „Stille“)
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