Meisterschaft

Meisterschaft

09.08.23 | Coaching

In meinem Elternhaus hängt in einem riesigen Eichenholzrahmen der Meisterbrief meines Urgroßvaters, ausgestellt im Jahre 1911. Und weil er so schön ist, hängt er eben heute noch dort, wo ihn mein Urgroßvater aufgehängt hat.

 Händedruck und Schulterklopfen

Schon als Kind hat mich dieses Bild fasziniert: besonders die beiden Männer in der Mitte. Rechts steht der junge Meister in Arbeitskleidung mit Lederschürze, hochgekrempelten Ärmeln und ernstem Blick. Links steht der Obermeister, der ihm den Meisterbrief verleiht. Er tut dies mit einem aufrichtigen Blick ins Gesicht des jungen Mannes und einem kräftigen Händedruck. Die linke Hand legt er dem jungen Mann väterlich auf die Schulter. Die beiden stehen sich auf Augenhöhe gegenüber. Der Blick, die Geste, die körperliche Nähe ist für mich ein Zuspruch des Älteren an den Jüngeren: „Alles, was ich weiß, weißt du auch. Du wirst es zu etwas bringen. Du hast noch die Kraft der Jugend, die bei mir längst aufgezehrt ist – und deshalb wirst du die Dinge erreichen, die ich nicht mehr schaffen werde.  Du bist die Zukunft.“

Wertschätzung

Dieser Moment ist die Krönung eines langen und sicher beschwerlichen Weges des Lernens. Alle Fähigkeiten und das entsprechende Wissen, die in seinem Beruf nötig sind, hat der junge Meister nun erworben, das hat er schwarz auf weiß.
Für mich konzentriert sich in diesem Händedruck  Anerkennung, Wertschätzung und Augenhöhe
Menschen, wie der Obermeister im Bild, waren es, die den jungen Mann während seiner Lehrzeit und später auf der Wanderschaft als Geselle ausgebildet und gefördert, ermutigt oder herausgefordert haben.

Solche Menschen brauchen wir!  – als Gesellschaft, aber auch als Kirchengemeinden.

Menschen, die andere wertschätzend und auf Augenhöhe ermutigen, Menschen, die darum bemüht sind, dass auch andere sich entfalten können und selbständig werden. Menschen, die ihre Erfahrungen mit anderen teilen und wertvolle Tipps weitergeben.

Der junge Meister hier im Bild ist für mich eine Person, in die eine Reihe von Menschen investiert haben. Und solche Menschen, die es wert sind,  gibt es gewiss auch in unseren Gemeinden.

Meister ist, wer auch andere zur Meisterschaft führt

Machen Sie den Anfang, investieren Sie in andere durch Wertschätzung und Anerkennung, und Sie werden sehen, es hat Auswirkungen.

Freuen Sie sich ehrlich mit demjenigen, der etwas gut gemacht hat und sagen Sie es ihm – auf Augenhöhe. Und wenn einer,  frisch und unverbraucht, richtig gute und sogar noch praxistaugliche Ideen auf den Tisch bringt, dann unterstützen und ermutigen Sie ihn, loszulegen und dranzubleiben. Treten Sie ruhig kürzer, wenn Sie damit einem anderen die Möglichkeit des Ausprobierens eröffnen. Und klopfen Sie ihm anerkennend auf die Schulter, wenn ein anderer das anpackt und erfolgreich umsetzt, wovon Sie selbst immer geträumt haben.

 

Ich wünsche mir für Gemeinden – und überhaupt in unserer Gesellschaft – mehr solche Menschen: Meister, die andere zu Meistern machen und dies anerkennend, wertschätzend und auf Augenhöhe tun.

Zuerst erschienen in : Impuls Gemeinde 2.2012, „Haltungen“

Kontakt

Barbara Wehrstein
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